
Tagebucheintrag 5-012 – Radio Wien

Sonderausstellung Radio Wien – ORF-Funkhaus Wien/Heiligenstadt | 2025
“Und raus damit”

Ich habe mich wohlweislich ein wenig zurückgehalten, irgendjemanden von meinen letzten Erlebnissen mit dem Buch vom Robert zu erzählen, da es mir doch ein wenig peinlich war. Ich führe das jedenfalls auf eine mögliche Überarbeitung oder einfach nur auf zu viele, mir bislang noch unbekannte Vorgänge und Herangehensweisen zurück. So haben wir drei einfach mal einen ganz normalen Urlaubstag an diesem Sonntag eingeschoben. Ohne große Aufregungen und neuen Erkenntnissen. Wir haben uns einfach nur, wie sehr viele andere Touristen auf die großen Sehenswürdigkeiten der Stadt gestürzt. Das war eh auch schon mal seit langem fällig geworden. So waren wir zum Beispiel beim großen Schloss, dem angrenzenden Tierpark, der ganz großen Kirche in der Mitte und auch noch dem einen oder anderen Museum. Es war wirklich ein ganz entspannter Tag und allen hat es wirklich auch gutgetan, wieder einmal ein wenig ausgiebiger raus zu kommen.
Die darauffolgenden Tage haben der Robert und ich dann noch damit verbracht, die restlichen Beiträge im Studio fertigzumachen und für die Sendungen vorzubereiten. Und dann ist für mich, wie es leider immer einmal kommt, auch diese schöne und äußerst spannende Zeit bei Radio Wien in Richtung des Endes gegangen. Die Arbeit, die wir uns vorgenommen hatten, haben wir alle erfolgreich abgearbeitet und morgen am Donnerstag sollte dann wirklich mein allerletzter Einsatztag sein. So haben wir den restlichen Nachmittag noch gemütlich auf der Terrasse der Kantine verbracht und in der Herbstsonne die vergangenen Wochen einfach ein wenig Revue passieren lassen.
Unter anderem sind wir dabei auch auf das Thema der Lieferung von den Beiträgen an den Zuhörer gekommen. Das war natürlich für mich wieder so eine einmalige Gelegenheit, an der ich mit meinem mittlerweile erworbenen, ich muss aber fairer Weise zugeben, noch nicht ganz verstandenen Fachwissen bei ihm ein wenig punkten konnte. Denn ich glaube, dass mir der Herr Oberst im Fernmeldemuseum diesen Vorgang relativ genau erklärt hat und ich es auch so halbwegs verstanden habe. So war es jetzt für mich auch ein Leichtes, dies an den Robert, der zwar schon seit über dreißig Jahren hier arbeitet, aber sich noch nie wirklich damit beschäftigt hat, warum und wie gewisse Sachen einfach funktionieren, weiter zu geben. Zuvor ist er aber nochmals kurz runter in sein Büro und hat von dort ein altes Buch geholt, in dem ganz viele alte Fotos von der damaligen Sendeanlage am Bisamberg drinnen abgebildet waren. Das Radio hieß zu der Zeit damals noch RAVAG und das bedeutet ausgeschrieben, Österreichische Radio Verkehrs AG. Das war quasi einer der Vorläufer des jetzigen Österreichischen Rundfunks, zu dem eben auch das Radio Wien gehört.
Und auf einmal hat sich eine sehr ausschweifende Diskussion zwischen uns beiden ergeben, in der wir versucht haben, die wirkliche Geburtsstätte von seinem Arbeitgeber zu finden. Ich bin zu dem Zeitpunkt ja mit meinem Erkenntnisstand davon ausgegangen, dass das damals in der Dresdnerstraße angefangen hat. Da hat mir Robert auch zugestimmt, allerdings war der Versuchssender vom Czeija und Nissl damals eher als Piratensender einzustufen. Die haben zwar schon ein fast komplettes Programm gesendet, hatten aber keine Lizenz, das auch tun zu dürfen. Das hat dann erst Radio Hekaphon ein paar Jahre später legal gemacht. Danach hieß es zum ersten Mal auch Radio Wien, um später eben in RAVAG umgetauft zu werden. Dann war es kurz mal Radio Rot Weiß Rot und dann bis heute wieder Radio Wien. Also hat sich seit Beginn außer den Standorten und den Besitzverhältnissen nicht recht viel geändert und so waren wir schlussendlich gemeinsam der Auffassung, den wahren und auch heute noch existierenden Ursprung des Radios in diesem Land doch noch gefunden zu haben.
Ich habe derweilen weiter in dem Buch geblättert und Robert hat mir noch die eine oder andere Geschichte erzählt. Spannend war auch, dass wir bei unserem Gespräch in unmittelbarer Nähe der großen Sendeanlage auf den Hausbergen der Stadt gesessen haben. Von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick auf eben diese Anlage am Kahlenberg gehabt. Er hat mir dann erklärt, dass dieser noch existierende Sender, denn den am Bisamberg haben sie vor etlichen Jahren gesprengt, ein ganz wichtiger ist, denn er versorgt den Raum Wien, Teile von Niederösterreich und des Nordburgenlandes. Aber man kann den auch in ein paar Gebieten von Oberösterreich, der Steiermark, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und im südlichen Bereich von Polen empfangen. Also hat der wirklich eine ganz ordentliche Reichweite. Und jetzt war meine Zeit gekommen, den Robert aufzuklären, wie so ein Ding überhaupt funktioniert. So hab ich ihm erst mal von dem Ausflug mit dem Herrn Oberst erzählt, bei dem er uns mit der Glühbirne die Funktionsweise ganz genau gezeigt hat. Ich hab das dabei genauso gemacht wie der Herr Oberst. Hab mir einen Block aus meinem Rucksack geschnappt und ihm das zur Veranschaulichung genau aufgezeichnet. Meine Lehrstunde hat damit begonnen, dass so eine Radiosendeanlage ein technisch sehr komplexes System ist, das es ermöglicht, Audiosignale in elektromagnetische Wellen umzuwandeln und über große Distanzen zu verbreiten. Dabei wird in solchen Anlagen eine sehr starke Trägerwelle mit Strom erzeugt, auf die dann die Signale, die von den Audioquellen kommen, über Modulation und Hochfrequenzverstärkung daraufgelegt werden und anschließend über die Antenne und der Luft bis zum Zuhörer wandern. Das geht aber nur dann, wenn der auch einen passenden Radioempfänger mit der richtigen Frequenzeinstellung hat. Der holt dann die Sprache wieder runter und wandelt diese in einen hörbaren Ton um.
Während meines ganzen Vortrages war ich mit Robert allerdings irgendwie in einer anderen Zeit gelandet. Mir ist vorgekommen, als ob wir uns tatsächlich in dem Gebäude des alten Senders am Bisamberg bewegen und ich ihm dort die ganze Funktion am lebenden Objekt zeigen würde. Es war faszinierend. Die Eindrücke und Erlebnisse aus der Zeit bei den Fernmeldern, gepaart mit den Erinnerungen an die Geschichten vom Herrn Oberst sowie den ergänzenden alten Bildern im Buch haben auf einmal kurzfristig wirklich Realität angenommen. Wir sind gemeinsam durch die alten Räumlichkeiten marschiert und haben uns dabei ganz genau vorstellen können, wie damals so der Tagesablauf gewesen sein muss. Ein paar Techniker sind in weißem Mantel umher geschwirrt und haben die summende und surrende Anlage brav am Laufen gehalten. Auf der einen Seite sind die zu transportierenden Informationen rein gekommen. Die großen Röhren haben das umgewandelt und auf die Wellen von den großen Stromaggregaten daraufgelegt und anschließend hat die Antenne es weit ins Land hinaus geschickt. Das waren nicht einfach nur Bilder, die sich bei mir im Kopf erzeugt haben. Nein, ich habe dabei sogar den leicht modrigen Geruch der alten Räume in der Nase gehabt und auch den Strom von den brummenden Maschinen hab ich riechen können.
Am Ende meines Vortrages über die tragenden Wellen bin ich dann geistig auch wieder auf die Terrasse von der Kantine zurückgekommen. Doch was war mit Robert passiert? Der ist nur Visavis von mir gesessen, hat seinen Kopf ein wenig schief in seiner Hand aufgestützt gehabt und mich mit seinen großen Augen unter seinem Kapperl ein Zeit lang einfach nur angestarrt und nichts gesagt. Entweder war der noch nicht ganz zurückgekommen von unserem Ausflug, hat mir meine Erläuterungen nicht geglaubt oder sich einfach nur gefragt, was mir die da die ganze Zeit überhaupt erzählt. Ich bin dem dann aber auch nicht weiter auf den Grund gegangen, denn es sind immer mehr nette Kollegen aus den letzten paar Wochen daher gekommen und haben sich zu uns dazugesellt. Und so ist es dann auch diesmal wieder ein ganz wunderbarer und langer Ausklang von einer sehr tollen Zeit mit ganz netten Leuten geworden. Ich hoffe, dass dabei auch ein paar nachhaltig erhaltbare Freundschaften übrig bleiben werden und wir uns in nächster Zeit ab und zu wieder einmal treffen können.
Für den nächsten Tag ist in der Früh lediglich nur mehr ein kurzer Auftritt im Studio als Abschluss unserer Sendereihe angestanden. So haben sich in dieser Nacht meine Träumen noch einmal um das Radiomachen von heute und damals gedreht. Und da sind sie dann wieder auch gewesen, die Bilder im Kopf. Zwar waren sie alle nur in Schwarz und Weiß, aber dennoch wunderbar. War auch wieder einmal eine sehr schöne Zeit bei dem Radio Wien und ich bin dankbar, diese erleben haben zu dürfen.
Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2025) | |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Bau des Senders Bisamberg, Blick auf die technischen Anlagen |
Datierung | 1933 |
Archiv | Urheber altes Bild | Österreichische Nationalbibliothek |
Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.
Wir bedanken und für die musikalische Untermalung der fünften Reise bei
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
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Besten Dank, das Team von Photographics