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Tagebucheintrag 5-010 – Radio Wien

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Sonderausstellung Radio Wien – ORF-Funkhaus Wien/Heiligenstadt | 2025

“Uns fehlt noch was”

Copyright 2025 by Photographics | Matthäus Häupl, Wien

So glatt, wie es gestern anfänglich bei der Bearbeitung unserer Beiträge gegangen ist, ist es aber leider dann doch nicht weitergegangen. Wir haben uns in den nächsten Tagen durch mein ganzes nach Hause befördertes Material weiter durchgearbeitet und versucht, den einen oder anderen Sendebeitrag fertigzustellen. Leider hat man dabei aber wirklich gemerkt, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Euphorie mit mir regelrecht durchgegangen ist. So hat es einen akustischen Punkt gegeben, an dem ich einfach nicht mehr auf die Vorgaben vom Robert geachtet habe und in den Interviews einfach nur mehr den spannenden Geschichten kopflos nachgelaufen bin. Jetzt, wo wir da am Aufarbeiten sitzen, bin ich auch selber überzeugt davon, dass man damit nicht wirklich etwas anfangen kann. Da fehlt einfach der durchgehende rote Faden. Und wenn doch einer da war, dann war der viel zu lang, um ihn in einem Zweiminutenbeitrag unterzubringen. Schade, denn es waren ein paar wirklich sehr schöne Geschichten dabei. Aber es half alles nichts. Wir mussten unbedingt, um das schöne Gesamtkonzept nicht zu gefährden, nochmals ausrücken und einige Sachen einfach neu machen. Diesmal allerdings hat Robert darauf bestanden, dass wir das gemeinsam machen, um nicht nochmals unnötigen Aufwand aufkommen zu lassen. Das ist mir sogar recht gelegen gekommen, denn so hab ich hier eventuell auch mal die Möglichkeit, ihm bei seiner Herangehensweise an die Umsetzung ein wenig zuschauen zu können. Dabei kann ich mir sicher ein paar brauchbare Scheiben für die Zukunft abschneiden. Vorweg habe ich aber dennoch nochmals eine umfangreiche Lernstunde zu den essenziellen Aufgaben eines Reporters durchlaufen müssen.

„Schau mal Mädel“, hat er gemeint, „Die Aufgabe und die Arbeit von Radioreportern ist sehr vielseitig und reicht weit über das reine Berichten von spannenden Geschichten hinaus. Je nach Redaktion und Themenschwerpunkt arbeiten Reporter in verschiedenen Formaten. Da sind zum Beispiel Nachrichtenbeiträge, die eine kurze und sachliche Berichterstattung von wichtigen Ereignissen beinhalten. Allgemeine Reportagen mit einer atmosphärischen Dichte und persönlichen Eindrücken von Orten oder Menschen beziehungsweise diversen Veranstaltungen. Liveschaltungen, zu denen dann doch schon auch ein wenig mehr Erfahrung und Routine gehört, da diese meistens unter Zeitdruck entstehen müssen und direkt ins laufende Radioprogramm eingespielt werden. Da kann man im Nachhinein keine Fehler mehr ausbessern und darum machen das meistens nur die schon Altgedienten. Die zentrale Aufgabe dabei ist aber immer dieselbe. Informationen einholen und recherchieren, einordnen und dann auch verständlich aufbereiten sowie anschließend in Form bringen, um ein auditives Erlebnis dem Zuhörer zu unterbreiten. Vor Ort müssen sie aber alle immer relativ schnell reagieren, sich orientieren, Informationen einholen und vor allem einen besonders guten O-Ton einsammeln. Eine direkte Sprachführung mit den jeweiligen Interviewpartnern ist dabei die beste Lösung, da dieses die Radiobeiträge erst so richtig lebendig und glaubwürdig macht. Der Beruf des Journalisten oder Reporters erfordert einfach, dass er zum einen sein Handwerk perfekt beherrscht und aber auch immer und in jeder Situation mit Freude an die Sache herangeht. Gute Radiobeiträge leben von einem klaren Aufbau, einem durchgehenden roten Faden und davon, dass die Zuhörenden sich einfach nur mitgenommen fühlen, wenn sie das dann anhören. Jeder Beitrag lebt somit mit demjenigen, der ihn effektiv auch gemacht und gestaltet hat.“

Bei Letzterem muss ich dem Robert absolut recht geben. Das habe ich im Laufe meiner Arbeit draußen wirklich ein wenig vernachlässigt und so hätte das nicht passieren dürfen. Aber das ist vorerst sicher nur auf die noch mangelnde Routine von mir zurückzuführen. So sind wir halt dann mit einem neuen Ausgabenplan aufgebrochen, um das Ganze wieder auf Grad zu bügeln. Die Aufnahmen, die ich mit dem Herrn Oberst im Museum gemacht habe, haben zum Glück alle soweit gepasst. Nur bei den anderen zwei Positionen für unsere Serie hab ich ein wenig gepatzt. Robert hat das dort aber sehr diplomatisch gelöst. Um nicht den Anschein aufkommen zu lassen, dass wir so etwas nicht beim ersten Mal schaffen, haben wir teilweise andere Fragen formuliert und uns bei denen, die wir unbedingt wiederholen mussten, ein kleines bissl auf technische Probleme bei der Aufnahme ausgeredet. So war keiner beleidigt und wir haben dabei auch nicht unser beziehungsweise mein Gesicht verloren.

Was mir beim Robert seiner Herangehensweise außerordentlich gefallen hat, war die Tatsache, dass er sofort einen direkten Draht zu Interviewpartnern gehabt hat. Der hat die wirklich in einem Gespräch auf Augenhöhe abgeholt und hat mit ihnen über deren Arbeit geredet, wie wenn er das selbst schon Jahrzehnte lang machen würde. Wenn er aber etwas einmal nicht gekannt oder gewusst hat, dann hat er auch äußerst interessiert zugehört und hat sich dabei auch die Zeit für die umfangreichen Erklärungen genommen. Nur wenn es dann zu der Frage für einen Beitrag gegangen ist, hat der auf einmal so extrem schnell zu reden angefangen, dass er dabei fast die ganzen Satzzeichen verschluckt hätte. Das hat aber im Endeffekt nicht wirklich hektisch geklungen. Aber man hat halt auch keinen Punkt gefunden, in dem man ihn hätte unterbrechen können. Ich glaub halt, ich weiß mittlerweile, warum dem so ist. Die Beiträge haben ja immer nur zwei Minuten Vorgabe und wenn man die ausführlichen Fragen so kurz als möglich hält, hat das Visavis ein wenig mehr Zeit für seine Antworten und man bringt ein bissl mehr unter. Doch ich würde das beim besten Willen nicht so zusammenbringen. Wenn es gut geht, hätte ich das vielleicht in der doppelten Zeit von ihm geschafft. Da sollte ich eventuell in nächster Zeit noch ein wenig mehr üben, wenn ich das noch öfter machen will.

Nichtsdestotrotz haben wir bis am Abend wieder alles in brauchbarem Umfang beisammen gehabt. Auch haben wir noch ein paar andere Beiträge gleich mitgenommen, da sie quasi am Weg gelegen sind und die Leute spontan Zeit für uns gehabt haben. So war das dann doch noch ein sehr erfolgreicher und lehrreicher Tag für mich. Teilweise ist es wirklich besser, wenn man die notwendigen Vorgehensweisen erst mal bei jemand anderen abschauen kann und sie dann danach an seine eigenen anpasst. Genau so werden halt meistens die Erfahrungen von einer Generation zur anderen weitergegeben.

Wir sind dann wieder ins Studio eingerückt, haben das Equipment ordentlich verstaut und die heutigen Aufnahmen noch gleich in das Kastl vom Robert gespielt. Und so ist auch schon die zweite Arbeitswoche beim Radio Wien für mich zu Ende gegangen. Wie schnell doch immer die Zeit vergeht, wenn man einmal was tut. Zum Abschluss habe ich von ihm noch so ein lustiges Buch als Geschenk bekommen, in dem lauter bunte Bilder drinnen waren. Er hat gemeint, dass das etwas ganz Besonderes sei, da er da drinnen auch eine kleine Gastrolle verkörpert. Ich solle mir das am Wochenende einmal in Ruhe durchlesen und ich werd sehen, dass ich dabei ausreichend Spaß haben würde.

Mein vorläufiges Fazit aus den letzten zwei Wochen und der Arbeit hier ist, dass dieser Beruf für mich eine Vielfalt an großer Faszinationen ausübt. Nicht nur wegen seiner Nähe zum Geschehen und der Möglichkeit, die Welt mit der eigenen Stimme zu erzählen, sonder auch weil Radioreporter einen wirklich wichtigen Beitrag zu dem lebendigen Zusammenleben und der glaubwürdigen Vermittlung von Informationen leisten. Denn die sind genau dort, wo die Geschichten eben immer passieren und bringen das alles denjenigen zu Gehör, die das nicht einmal wissen oder auch nicht dort sein können. So vereint der Beruf journalistische Präzision mit Kreativität, Spontanität, unterstützt mit Technik sowie Nähe zum Menschen und aber auch professioneller Distanz. In einer Welt voller Bilder ist ihre Arbeit eine Erinnerung daran, dass manchmal ein einziger guter O-Ton mehr erzählt als tausend faszinierende Bilder.


Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema


Informationen zu der Grafik

Standort des neuen Fotos (2025)Stammerdorfer Straße | Wien
Titel eingearbeitetes altes BildDorfstraße, Auto mit der Aufschrift ‘Radio Wien’, Zwei Männer interviewen Hörer, im Hintergrund Straße, spielende Kinder, es schneit. 500000. Rundfunkhörer aus dem Burgenland
Datierung18.03.1957
Archiv | Urheber altes BildÖsterreichische Nationalbibliothek

Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.

www.echtleinwand.at

Wir bedanken und für die musikalische Untermalung der fünften Reise bei

STAFAN WAGNER

Band : STAFAN WAGNER GROUP

Titel: “New Atlantis”

http://stefanwagnergroup.at/


Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at


Wenn euch die Grafiken unserer Reise gefallen haben, würden wir uns auch über eine kleine Spende freuen.

Besten Dank, das Team von Photographics






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