
Tagebucheintrag 5-009 – Radio Wien

Sonderausstellung Radio Wien – ORF-Funkhaus Wien/Heiligenstadt | 2025
“Die Radio-Bastelstunde”

Heute sollte also der große Tag sein, an dem wir gemeinsam aus den ganzen Fragmenten eine spannende Geschichte zusammenstellen werden. Ich hoffe nur, dass Robert nicht wieder einen Sondereinsatz zu verbuchen hat und wir unser Vorhaben auch wirklich in die Tat umsetzen können. Zu meiner Freude war er aber am Morgen im Studio anwesend. Zwar ein bissl hektisch, weil ihm die Arbeitszeit von gestern doch ein wenig gefehlt hat und er das alles eben heute nachholen hat müssen. Aber er tut mir da auch nicht wirklich leid, denn wie er immer so sagt, macht er das ja schon seit zweiunddreißig Jahren und da müsste er halt auch wissen, dass man nie auf einhundertzwanzig Prozent fahren darf, es kann immer was Unerwartetes dazwischen kommen. Aber ich bin überzeugt, der jammert offiziell nur auf sehr hohem Niveau, denn der weiß das ganz genau, was er tut. Jedenfalls habe ich die morgendliche Zeit genutzt, in der er noch seine anderen Dinge erledigt hat, um alles noch einmal ordentlich zu sortieren und in die vorgesehene Reihe zu bringen. So sparen wir uns nachher sicher ein bissl eine Zeit bei der effektiven Bearbeitung der Beiträge.
Es hat dann auch nicht recht lange gedauert, bis Robert mit seinem ominösen Gerät unterm Arm bei mir oben in der Kantine aufgetaucht ist. Dort dürfte nämlich, das hab ich schon mitbekommen, der äußerst kreative Dreh- und Angelpunkt hier im Haus sein. Es ist ja auch wirklich super dort und man kann da wirklich ganz tolle und außergewöhnliche Sachen im Kopf entwickeln. So habe ich zu aller erst einmal ausführlich berichterstatten dürfen über die letzten paar Tage. Dabei war er vorerst auch wirklich ganz angetan davon, dass mir das alles so leicht von der Hand gegangen ist. Danach allerdings war meine Beichte angesagt, dass ich viel, viel mehr Material mit heimgebracht habe, als ursprünglich ausgemacht gewesen ist. Er hat zwar am Anfang ganz große Augen wie eine Eule gemacht und ein wenig verschnupft dreingeschaut, als er den Berg von Bändern gesehen hat, hat aber anschließend lachend gemeint, dass er sich das genau so vorgestellt hat und das das genau so passieren wird. Da war dann aber auch ich ganz kurz einmal ein bissl konsterniert, denn der hat im Vorfeld genau gewusst, was passieren wird und hat mich da einfach so eiskalt anlaufen lassen. „Das ist immer so beim ersten Mal.“, hat er gemeint, „Das bekommen wir mit der Zeit schon hin. Jetzt haben wir halt ein bissl mehr Arbeit, um aus dem ganzen Haufen das Relevante herauszusuchen. Aber das werden wir schon schaffen. Zeig einfach mal deine ganze Ausbeute her.“
Zu meinem Glück habe ich aber noch die ganzen schriftlichen Aufzeichnungen zu den Aufnahmen gehabt und das wiederum hat Robert dann doch sehr gefallen, denn dadurch haben wir uns wirklich eine ganze Menge Zeit beim Suchen gespart. So haben wir begonnen, erst mal alles Notwendige für die Beiträge herauszusuchen und in sein Gerät einzuspielen. Bezüglich dem ganzen überhängendem Material hat er gemeint, dass wir dieses vorerst mal ins Archiv legen und zu einem späteren Zeitpunkt eventuell für einen anderen Beitrag verwenden können. Wir müssen uns halt nur merken, dass wir zu den anderen Themen eben dort auch schon etwas Brauchbares gelagert haben. So war halt meine Fleißaufgabe vorerst zwar nicht brauchbar, aber auch nicht ganz umsonst gewesen. Das ist ja schon einmal ein ganz gutes Gefühl und so haben die dann eventuell für später auch einmal ein wenig ein Füllmaterial, wenn ihnen einmal gar nichts Gescheites einfällt.
Wir haben uns dann aber wieder auf unsere eigentliche Aufgabe konzentriert und versucht, aus dem brauchbaren Material die vorgegebenen Sendebeiträge herauszuarbeiten. Das hat auch ganz genial funktioniert. Dank der genauen geistigen Vorstellung, die wir aus der Besprechung mitgenommen und in der Redaktion dann verfeinert haben, sowie der heutigen Überarbeitung ist aus den ganzen einzelnen Fragmenten wirklich ein geniales Hörbild entstanden, welches das vor Ort vorhandene, sehr gut für alle anderen Zuhörer widerspiegelt. Da hat natürlich auch das Material vom Stefan wirklich etwas Maßgebliches bewirkt. Robert hat dann auch noch seinen Kommentar dazugegeben und auf einmal war es, wie wenn wir beide gemeinsam das alles erlebt hätten. Er daheim im Studio und ich draußen vor Ort bei den Leuten unterwegs. Es war ein ganz kleines bisschen unwirklich, wenn man den Hintergrund kennt, wie das alles so entstanden ist. Aber das Ergebnis war dennoch einfach nur genial. Das war fast wie Zaubern.
Zaubern war auch das, was Robert in seinem Gerät aufgeführt hat, um schlussendlich zu dem genialen Ergebnis zu kommen. Der hat einfach meine Aufnahmen in eine Zeile hineingeschoben, dann sind dort auf einmal irgendwelche Wellen aufgetaucht. Die hat er dann vorne und hinten einfach wie auch immer gestutzt und eine andere dahinter gesetzt. So hat er nicht nur meine aufgenommenen Gespräche eingearbeitet, sondern auch die Musik und die Geräusche, die ich gestern beim Stefan herausgestöbert habe. Am Schluss ist dann auf einmal ein akustisches Gesamtbild entstanden, von dem ich nur mehr mit großem Staunen extrem begeistert war. Und da war mal wieder so ein Punkt erreicht, an dem gewisse Sachen sich in kurzer Zeit einfach nicht mehr weiter hinterfragen lassen, warum sie einfach so sind. Man muss dort einfach nur wissen, dass diese Möglichkeit der Existenz besteht und wo man wen beziehungsweise wann fragen muss um so etwas für die Umsetzung der eigenen Idee verwenden zu können. Man kann eben nicht alles können. Man muss nur wissen, wo man was bekommt, wenn man es einmal braucht.
Wir haben an diesem Tag dann doch wirklich die ersten Sendebeiträge alle fertigstellen können und sie haben sich echt gut angehört. Abschließend haben wir noch die Texte für die Moderationen bei der Sendung für vorne und hinten geschrieben und dann war unsere Arbeit auch schon abgeschlossen. Die anderen Themen werden wir uns dann in den nächsten Tagen genauso vornehmen. Ich habe gar nicht geglaubt, wie schnell das im Endeffekt gegangen ist, um von einer Idee zu einer fertigen Geschichte zu kommen. Dabei hilft wahrscheinlich aber auch die viele Kopfarbeit, die im Vorfeld vom Team durchgeführt worden ist, ungemein dabei und natürlich auch die jahrelange Routine bei der Gestaltung von diversen Beiträgen. Das Ganze bleibt aber dennoch für Außenstehende, die so etwas noch nie gemacht haben, eine äußerst faszinierende Erfahrung.
Robert hat mir nach unserer Arbeit des heutigen Tages dann noch erzählt, wie aufwendig das Ganze früher war, um zu demselben Ergebnis zu kommen. Da war die einzige Möglichkeit der Aufzeichnung wirklich nur auf Bändern gegeben und die Maschinen, die das ermöglicht haben, waren zu der Zeit ziemlich groß und schwer. Da hat man oft wirklich ordentlich viel Equipment mit nehmen müssen. Zudem war die Nachbearbeitung, wie wir es heute gemacht haben, auch nicht so einfach. Die Bänder sind damals sprichwörtlich geschnitten worden. Davon kommt auch der Begriff Schneiden. Das heißt im Klartext, man hat mit einer Schere das Band dort auseinandergeschnitten, wo der Satz begonnen und geendet hat und hat den dann an anderer Stelle wieder mit einem anderen Satz zusammengeklebt. Das dann noch ein paarmal zwischen verschiedenen Aufnahmegeräten hin und her gespielt und dazwischen immer wieder Musik und Geräusche dazugefügt, bis das Endprodukt dann fertig war. Das war ein relativ langwieriger Prozess damals, aber durch die heutige Technik ist das zum Glück alles um vieles leichter geworden. Dennoch bleibt die redaktionelle Arbeit für das Radio ein kreativer und zugleich strukturierter Prozess. Sie erfordert journalistische Kompetenz, sprachliches Feingefühl, technisches Know-how und Organisationstalent. Jeder einzelne gut gemachte Radiobeitrag ist das Ergebnis von sorgfältiger Planung, intensiver Recherche und professioneller Umsetzung. So hat dann auch jeder einzelne Beitrag das Potenzial, Hörerinnen und Hörer nicht nur zu informieren, sondern auch zu berühren und zum Nachdenken anzuregen.
Heute war ich am Schluss wirklich stolz darauf, auch einmal ein Mitglied in einem Team sein zu dürfen, welches anderen Menschen Freude und Informationen in ganz toller Art und Weise unterbreitet und sie vielleicht doch auch ein wenig von ihren Sorgen des Alltags ein wenig ablenken möge. Das ist schon eine ganz schöne Sache.
Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2025) | Kantine Koch[T]raum | Heiligenstädter Lände |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Sprecher der Radio-Sendung ‘Tanzmusik auf Bestellung’ / Neue Sendeanlagen im Wiener Studio von Radio ‘Rot-Weiß-Rot’. Toningenieur am Schaltpult im Kontrollraum. / Studio Wien des Senders ‘Rot-Weiß-Rot’: Politische Diskussionsreihe “Im Scheinwerferlicht” wird aufgenommen und übertragen. Am Mikrophon-tisch sitzend: Otto Basil, Peter Weiser, Piero Rismondo. |
Datierung | 1957 |
Archiv | Urheber altes Bild | Österreichische Nationalbibliothek |
Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.
Wir bedanken und für die musikalische Untermalung der fünften Reise bei
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
Wenn euch die Grafiken unserer Reise gefallen haben, würden wir uns auch über eine kleine Spende freuen.
Besten Dank, das Team von Photographics