
Tagebucheintrag 3-025

“Die Parade”

Ich habe dann schon noch ein „schönes Zeitl“ gebraucht, um die neue Karte fertigzustellen. Nebenbei ist mir das lange Gespräch mit dem Herrn General nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Doch jetzt ist sie endlich fertig und für den Einsatz bereit. Wie gehe ich jetzt weiter vor?
Als ich so meine Sachen sortiere, die ich für die weitere Reise zusammengetragen habe, fällt mir ein, dass ja der Andreas, das ist der Soldat, den ich damals in der Gastwirtschaft am Berg vor der großen Stadt getroffen habe, etwas von einer großen Parade gesagt hat. Die müsste an diesem Wochenende in einer größeren Stadt im nordwestlichen Teil des Landes stattfinden. Ich hatte es mir irgendwo auf einem Zettel notiert. Nur den jetzt in dem ganzen Durcheinander zu finden, war eine Aufgabe. Ich krame eine Zeit lang alles durch und finde ihn letztendlich auch. Hätte ich nur gleich meinem doch noch existierenden Ordnungssinn vertraut, hätte ich diesen schneller gefunden. Er war nämlich eh ganz brav in meinem Notizbuch abgelegt.
Also, die Parade findet in einer Stadt namens Linz statt und beginnt am frühen Nachmittag. Das könnte sich noch ausgehen, dachte ich und packte alles Notwendige zusammen. Zum Glück hatte mir Andreas auch erklärt, wie ich dort hinkomme. Ich eilte aus dem Haus, um nochmals umzudrehen und den Scooter für alle Fälle auch noch mitzunehmen. Dann los zum Bahnhof in Richtung Westen. Ich habe den Zug in die Stadt Linz gerade noch erwischt.
Kaum in den Zug eingestiegen, wurde ich sogleich wieder mit dieser komischen Angewohnheit, eine Maske über Mund und Nase zu stülpen, konfrontiert. Super, dachte ich. Laut Fahrplan geht die Reise jetzt fast zwei Stunden und ich muss mit dem komischen Ding da vor dem Gesicht herumsitzen. Aber was soll’s. Immerhin müssen es ja wenigstens alle anderen Fahrgäste auch so machen und somit bin ich damit nicht alleine. Aber unangenehm ist das Ding schon.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir dann in Linz angekommen und ich war froh, wieder mal richtig durchatmen zu können. Doch irgendwie war die Luft in dieser Stadt ein wenig – um nicht zu übertreiben – anders. Es roch wie bei uns im Winter, wenn alle ihre Öfen im Vollbetrieb haben. Der leichte Dunst über der Stadt verstärkte noch den Gesamteindruck. Außerdem sahen die Häuser auch ganz anders aus als in der großen Stadt. Nicht so wirklich gemütlich, dachte ich. Dennoch wollte ich die Parade nicht versäumen. Also die nächste Person fragen, wo es zum Hauptplatz geht und schnellen Schrittes den Marsch dorthin antreten. Zum Glück hatte ich noch daran gedacht, den Scooter mitzunehmen, da es bis dorthin ein schönes Stück zu gehen ist.
Auf dem Weg dorthin kam ich durch eine sehr große, breite Straße. Auf dieser Straße liefen aber nur Unmengen von Menschen kreuz und quer herum und es fuhren keine dieser motorisierten Kutschen wie auf den anderen Wegen. Ah, dachte ich, die haben da eigene Straßen, um in Ruhe zu Fuß gehen zu können. Auch interessant. Als ich fast am Ende der Straße angekommen war, hörte ich schon von Weitem Musik. Da muss gleich die Parade sein. Und genau so war es. Nach der großen Straße war ein riesiger Platz. Der Hauptplatz. Dieser war voll von Schaulustigen. In der Mitte sah ich über die Köpfe der Mensch hinweg einen ganzen Haufen bunter Fahnen. Dort sind sicher die Soldaten, dachte ich und versuchte mir einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Mit ein bisschen Nachdruck und ein wenig Ellenbogeneinsatz geht das auch recht gut.
In der Mitte des Platzes sah ich dann die Soldaten. Schön aufgestellt in Reih und Glied. Es waren verschiedenste Gruppen mit unterschiedlichsten Uniformen. Jede Gruppe hatte eine eigene, wunderschön verzierte Fahne. Vor den Soldaten saß eine Gruppe Männer auf Sesseln. Das dürften die Offiziere gewesen sein, und einer schwang Lobes artige Reden. Die armen Soldaten standen mit ihren dicken Uniformen in der prallen Sonne und lauschten gehorsam dem Redner. Andreas hatte mir erzählt, dass diese Parade anlässlich eines besonderen Jubiläums einer dieser Soldatengruppen stattfindet. So war mir klar, dass es hier natürlich jede Menge zu sagen gibt. Ich hatte also genug Zeit, mir die verschiedensten Gruppen genau anzusehen. In einer der Gruppen entdeckte ich auch Andreas. Ich winkte ihm aufgeregt zu, doch er blieb nur steif wie ein Stock stehen und verzog keine Miene. Vielleicht kennt er mich ja nicht mehr. Egal, dachte ich, das werden wir nach der Parade klären.
Als alle mit ihren Reden fertig waren, bildete sich eine kleine Gruppe, angeführt von einem Soldaten, die sogleich salutierend die einzelnen Reihen abschritt. Die Träger der einzelnen Fahnen senkten diese, sobald die Gruppe an ihnen vorbeikam. Danach marschierten alle Soldaten im Gleichschritt vom großen Platz. Vorne weg immer die jeweilige Fahne der zugehörigen Gruppe. Es war wunderschön anzuschauen und irgendwie hatte es etwas von einer längst vergangenen Zeit. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die meisten der Soldaten eher ältere Männer waren. Vielleicht waren ja einige von ihnen damals wirklich mit solchen Uniformen im Einsatz. Doch das glaub ich nicht.
Die Soldaten hatten den Platz verlassen und die Schaulustigen verteilten sich in alle möglichen Richtungen. Jetzt sollte ich aber mal schauen, ob ich Andreas irgendwo finden kann. In einer kleinen Nebengasse sah ich die Soldaten. Mitten drinnen fand ich auch Andreas. Er begrüßte mich sofort und war sehr erfreut, dass ich es einrichten konnte, hier bei der Parade vorbeizuschauen. Ich wurde natürlich gleich mal all seinen Kameraden vorgestellt und alle hatten die gleichen Fragen. Wo kommst du her? Was machst du da? Wie gefällt es dir bei uns? Und so weiter und so weiter. Ich hatte gar nicht die Möglichkeit, meine Fragen, die sich aufgrund der vielen neuen Eindrücke ergeben haben, zu stellen. Wir beschlossen noch auf einen Umtrunk in einen netten Gastgarten zu gehen und über alles ein wenig zu plaudern.
Es sollte dann doch früher Abend werden, bis wir unsere Heimreise zurück in die große Stadt antreten konnten.
EXPERTENPODCAST – Erklärung und Informationen zum Thema
mit Brig i.R. Andreas Rotter
Episode 003 “Traditionsvereine und -verbände, sowie deren historische Bedeutung in der heutigen Zeit”
Episode 009 “Die Begriffe Kameradschaft und Loyalität, sowie in der heutigen Zeit abhanden gekommene Grundlagen.”
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
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Besten Dank, das Team von Photographics