
Tagebucheintrag 5-004 – Radio Wien

Sonderausstellung Radio Wien – ORF-Funkhaus Wien/Heiligenstadt | 2025
“Das Bild zum Ton”

Beim Betreten des großen Studios war ich dann doch mal erst ein wenig perplex. Denn wiedererwarten, solche technischen Geräte zum Funken und Senden zu finden, wie ich sie schon beim Herrn Oberst oben im Museum gesehen hatte, sind wir erst mal nur vor einem großen Laden gestanden, in dem allerlei verschiedenstes Werkzeug zum Handwerken feilgeboten wurde. „Das kanns aber jetzt nicht wirklich sein, oder?“ Robert hat wieder einmal nur gelacht und gemeint, dass das Studio, in das wir wollen, ein Stückl weiter oben im Gebäude zu finden ist. Phuu, und ich dachte schon.
Wir sind dann aber als erstes Mal in sein Büro auf einen morgendlichen Kaffee gegangen, denn er hat mir erklärt, dass er hier nicht nur Reporter, sondern auch Betriebsrat ist. Dessen Aufgabe ist es hauptsächlich, die Interessen der Mitarbeiter gegenüber den Chefs zu vertreten und im schlimmsten Fall auch mit einem bissl Nachdruck durchzusetzen. Das kann ich mir beim Robert ganz gut vorstellen. Der hat schon ein bissl was von einem Gruppenführer. Der würde ganz gut auch zu den Landeshütern dazupassen. Den muss ich vielleicht einmal mit dem Herrn Oberst von der großen Soldatenschule zusammenbringen, da könnte sich womöglich etwas besonders Produktives ergeben. Nebenbei ist im Eck von seinem Büro auch ein kleines Feuerwehrauto mit einem Helm drauf herumgestanden. Auf meine Frage, ob er eventuell auch noch Feuerwehrmann in diesem Haus ist, hat er nur lachend gemeint, dass das von einer Kollegin ist, die das für irgend ein Kind gekauft hat und das es jetzt nicht mehr haben möchte. So steht das Ding halt jetzt schon eine Zeit lang bei ihm herum und es stört ihn auch nicht wirklich. Also dann halt zusätzlich auch Lagerraum für die anderen Kollegen zur Verfügung stellen. Der Robert dürfte also wirklich sehr viel mehr als nur Reporter in diesem Haus sein.
Wir haben beim Kaffee noch über so alle möglichen Dinge geplaudert und sind anschließend zu einem ausgiebigen Rundgang durch das Sendestudio aufgebrochen. Ehrlich gesagt, war ich schon ganz schön aufgeregt in dem Moment, denn einmal wirklich die Möglichkeit geboten zu bekommen, hinter die Kulissen von so einem Sendestudio blicken zu dürfen, war natürlich eine ganz einmalige Angelegenheit. Wir sind dann am Portier vorbei in die heiligen Hallen vom Radio Wien eingetreten. Dahinter war allerdings augenblicklich eine ganz besondere Stimmung vorzufinden. Es war ein riesengroßer, ringförmiger Raum, in dem ein ganzer Haufen Arbeitsplätze verteilt waren. Zudem war es ziemlich ruhig dort, aber gleichzeitig lag auch so eine Art kreative Spannung in der Luft. Überall standen blinkende und flackernde technische Geräte herum. Einige Menschen liefen am Gang mit Zetteln in der Hand auf und ab, andere saßen an den Tischen und waren sehr konzentriert in ihre Arbeit vertieft. In der Mitte von diesem großen Raum waren ein paar ganz besondere Räume, die rundherum große Glasscheiben hatten und aus deren Inneren man ganz leise Stimmen und Musik gehört hat. Das alles zusammen war doch ein wenig unwirklich für mich. Ich hab mir da viel mehr Betrieb vorgestellt. Aber hier war es eher so wie in einer großen Schulklasse, in der gerade alle bei einer ganz wichtigen Prüfungsarbeit sitzen.
Robert hat mir aber bei unserem Rundgang, zwar nur im Flüsterton, um keinen in seinem kreativen Prozess zu stören, dann alles ganz genau erklärt. In diesem großen ringförmigen Raum ist die gesamte Redaktion untergebracht. Hier werden alle notwendigen Informationen und Inhalte für die einzelnen Beiträge erarbeitet und zusammengetragen. Dahinter befinden sich in den Glaskobeln spezielle Büroräume wie zum Beispiel für die Chefs, spezielle Redaktionen, Besprechungsräume und auch die Administration. Die Räume in der Mitte mit den Glaswänden sind quasi das eigentliche Herzstück vom Radio. Das sind die richtigen Sendestudios, in denen die erarbeiteten Beiträge aufgezeichnet, moderiert und anschließend nach draußen auf Sendung geschickt werden. Und in so eines sind wir dann auch hinein gegangen.
Doch dort war es noch viel schlimmer als draußen. Zum einen war dieser Raum ebenfalls mit allerlei technischen und blinkenden Gerätschaften, Lampen und Knöpfen vollgestopft, zum anderen war es da drinnen auch mucksmäuschen still. Es war nicht nur still, sondern es war dort auch ziemlich tot. Wenn wir miteinander gesprochen haben, hat irgendetwas gefehlt. Da war auf einmal die ganze Kraft von unseren Stimmen einfach weg. Robert hat mir das so erklärt, dass man das wirklich einen schalltoten Raum nennt, denn dieser ist für eine ordentliche Tonaufnahme unbedingt erforderlich. Dieser Raum ist so gebaut, dass die Schallwellen nirgendwo reflektiert werden und so eben keinen Hall erzeugen können. Der kommt dann erst später wieder durch die technischen Geräte dazu. So kann man die Qualität des Gesprochenen bei der Aufnahme einfach besser unter Kontrolle bringen. Die Scheiben, die rundherum in den Wänden drinnen sind, sind eigentlich nur mehr ein Relikt aus früheren Zeiten, in denen vor den Studios noch die Regieplätze angeordnet waren. Die Techniker mussten dazu natürlich einen möglichst freien Blick auf die Moderatoren im Inneren des Studios haben, um denen mit Handzeichen Anweisungen für die jeweiligen Aufnahmen geben zu können. Die braucht man heute aber großteils nicht mehr, da sich die Moderatoren die Regiearbeit meistens selber machen. Warum all diese Scheiben allerdings schief eingebaut sind, hat mir selbst Robert nicht genau erklären können. Er hat nur gemeint, dass ihm das in der ganzen langen Zeit, in der er schon beim Radio arbeitet, noch gar nicht so wirklich aufgefallen ist. Ich hab mich dann später allerdings noch ein wenig schlau diesbezüglich gemacht, denn ich war überzeugt davon, dass hier keine betrunkenen Bauarbeiter am Werken waren oder diese nur aus dem Grund schief eingebaut worden sind, dass, wenn sich der Staub einmal dazu entschließt liegen bleiben zu wollen, er es einfach einfacher hat. Nein, die sind aus dem Grund da so drinnen, weil man damit die Reflexionen vom Licht und vom Schall vermeiden kann. Na ja, wieder einmal was Spannendes dazu gelernt.
Und dann ist der Robert ein ganz kleines bissl hektisch geworden. Er hat gemeint, dass wir bei dem wirklich angenehmen Geplauder fast die Zeit übersehen hätten, denn wir müssten uns jetzt ein wenig sputen, da wir gleich live auf Sendung sein werden. Da ist mir ganz kurzfristig ein wenig anders geworden, denn davon hat er am Anfang von unserem Rundgang wirklich nichts gesagt. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich dafür auch ein wenig besser vorbereiten können. Doch es half alles nichts. Wir sind schnell raus aus dem einen Studio und rüber zu einem anderen, in dem schon einige von seinen Kollegen hinter den Gerätschaften gestanden sind. Er hat mich vor der Tür geparkt und gemeint, dass er mich dann gleich reinrufen wird und ist darin verschwunden. Durch die schiefe Scheibe habe ich dem ganzen Treiben von außen misstrauisch und ein wenig nervös zugeschaut. Drinnen haben die begonnen, miteinander fröhlich zu plaudern und irgendwann hat er mich dann dazugeholt. Ich habe mich hinter so einen schwarzen Knubbel, der an einem Galgen montiert war, stellen müssen und die haben mir einfach diverse Fragen gestellt. Ich hab aber wiedererwarten relativ schnell die anfängliche Scheu ablegen können, da da drinnen eher eine ganz lockere und freundschaftliche Stimmung geherrscht hat. Mir ist das Ganze, was da jetzt abgegangen ist, erst im Nachhinein so richtig bewusst geworden, als die rote Leuchttafel, auf der On air steht, ausgegangen ist und mir Robert stolz erklärt hat, dass man mich jetzt erstmals im ganzen Land gehört hat.
Da hab ich dann doch ein wenig Zeit gebraucht, bis ich ihn bitten konnte, so etwas nicht nochmals unangekündigt mit mir zu machen. Er hat mich beruhigt und gemeint, dass ich in den nächsten Wochen zwar noch öfter auf Sendung gehen werde und die Zuhörer da draußen alle schon auf meine spannenden Beiträge warten werden, aber für diese werden wir uns im Vorfeld die notwendige Zeit nehmen und ich werde sehen, wie viel Spaß es macht, so etwas einmal durchführen zu dürfen. Na, da bin ich ja jetzt wirklich gespannt, was da alles in nächster Zeit noch auf mich zukommen wird, denn hier schaut es im Moment eher nach Mitarbeiten als nur nach Zuschauen und Lernen aus.
Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2025) | Sendestudio Radio Wien |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Sendergruppe ‘Rot-Weiß-Rot’: Betrieb in den Wiener Studios. Technischer Kontrollraum: Toningenieur Rudolf Tremmel gibt Startzeichen; Produzent Erwin Partisch kontrolliert die Aufnahme. |
Datierung | 1948 |
Archiv | Urheber altes Bild | Österreichische Nationalbibliothek |
Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.
Wir bedanken und für die musikalische Untermalung der fünften Reise bei
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
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Besten Dank, das Team von Photographics