zeitreisende.at

Tagebucheintrag 5-008 – Radio Wien

Werbung

Sonderausstellung Radio Wien – ORF-Funkhaus Wien/Heiligenstadt | 2025

“Stöbern im Stimmungslager”

Copyright 2025 by Photographics | Matthäus Häupl, Wien

Mit der ganzen Ausbeute der letzten Tage ist für mich auch ein wohlverdientes ruhiges Wochenende einhergegangen. Mein Problem bei der ganzen Geschichte war nur, dass mich die Interviews und Gespräche, die ich mit den Leuten in den letzten Tagen geführt habe, auch im Schlaf weiter verfolgt haben. So habe ich die freien Tage mehr oder weniger dafür genutzt, mir alle Aufzeichnungen noch einmal in aller Ruhe anzuhören und ich kann sagen, es war genial. Das ist ja wahrlich eine ganz tolle Erfindung, denn bisher konnte ich nur aus meinen Erinnerungen noch eine Weile zähren, aber jetzt bot sich erstmals die Möglichkeit, diese auch wirklich festzuhalten und unverfälscht in späterer Zeit genau so, wie sie gewesen sind, wieder zu geben. So ein Ding muss ich mir unbedingt für meine weiteren Vorhaben besorgen. Das war schon ordentlich genial. Natürlich ist da relativ schnell aber auch die Kleine drauf gekommen. Ihr war zwar die Vorgehensweise noch nicht ganz schlüssig, wie das alles zustande gekommen ist, ich wollte ihr dies auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich erklären, aber dennoch war ihre Euphorie diesbezüglich nicht zu bremsen. Jedenfalls haben wir das ganze Wochenende damit verbracht, die einzelnen Aufnahmen immer wieder und immer wieder anzuhören. Eigentlich hätte ich die ganzen Kommentare von Julchen dabei auch aufnehmen sollen, denn die waren teilweise wirklich genial und haben der Sache noch einen ganz speziellen Aspekt gegeben. Doch dazu hätte ich noch ein zweites solches Ding gebraucht. War aber eben nicht. So sind wir dann einfach so verblieben, dass ich, falls ich solche neuen Geschichten hätte, wir uns diese Bänder alle wieder einmal an einem ganz gemütlichen Abend anhören würden.

Heute, Montag, bin ich nach dem Frühstück wieder ins Studio gefahren. Ich war schon sehr gespannt, was Robert zu meinem ganzen Interviewmaterial sagen wird. Doch so weit sollte es an diesem Tag leider noch nicht kommen. Beim Betreten des Redaktionsbüros hat mir der Portier einen Brief in die Hand gedrückt und mir mitgeteilt, dass Robert erst morgen wieder hier erscheinen wird, da er kurzfristig zu einer brandaktuellen Reportage in aller Früh wegmusste. Aber er hat mir eben dieses Schreiben dagelassen. Phuu, und ich dachte schon, ich würde nach den paar Tagen auch schon wieder meine Kündigung bekommen. Ich habe den netten Portier noch gebeten, meine Tasche mit den ganzen Bändern auf Roberts Schreibtisch zu platzieren und hab mich anschließend erst mal in die Kantine zu einem ausgiebigen zweiten Frühstück begeben. Dort habe ich nebenbei auch den Brief in aller Ruhe gelesen. Das war so eine Art Arbeitsanweisung für den heutigen Tag.

Liebes Mädel,

leider habe ich heute zeitig in der Früh zu einem ganz aktuellen Einsatz ausfahren müssen. So ist es halt in der aktuellen Berichterstattung beim Radio. Man weiß zeitweise nicht, was einem an dem bevorstehenden Tag alles so erwarten wird. Da muss man einfach lernen, flexibel zu sein.

Ich hoffe, deine letzten paar Tage waren erfolgreich für dich. Hat alles geklappt mit den Interviews? Bin schon auf das Ergebnis gespannt. Aber das machen wir dann morgen in aller Ruhe, wenn ich wieder da bin.

Für heute habe ich mir vorgestellt, dass du einstweilen noch eine andere Sache erledigen könntest, die wir für die Fertigstellung auch brauchen werden. Dazu habe ich mit Stefan bereits gesprochen. Stefan ist einer derjenigen, die die Musik für unsere Sendungen zusammenstellen. Er ist selbst auch Musiker und wird dir diesbezüglich alles ganz genau zeigen und erklären.

Jetzt zur konkreten Aufgabe für diesen Tag:

Wir brauchen für die Fertigstellung der Beiträge noch verschiedenste Musikstücke und Geräusche, um die Stimmung, die du bei den Gesprächen eingefangen hast, für den Zuhörer so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch werden wir noch ein musikalisches Leitbild benötigen, da das Projekt ja aus mehreren Sendungen bestehen wird und so wissen die da draußen immer, dass etwas Neues kommt, wenn sie die Musik hören.

Also setz dich einfach mal an einen ruhigen Platz und lass dir dein Material noch mal durch den Kopf gehen. Mach dazu am besten die Augen zu und stell dir die Stimmung der Umgebung vor. Schreib dann alles zusammen, was in Betracht kommen würde und was wir unbedingt brauchen und geh damit zu Stefan. Der zeigt dir dann, wo du das alles finden kannst.

Ich hoffe, du bis mit der neuen Aufgabe nicht zu arg überfordert, aber wie ich dich kenne, wirst du das schon machen.

So sehen wir uns dann morgen. Einstweilen noch ganz liebe Grüße und viel Spaß beim Stöbern,

Robert

Na gut. Ich habe mich danach ins letzte Eck von der Terrasse mit der wunderschönen Aussicht verzogen und das gemacht, was Robert mir aufgetragen hat. Es war ja wirklich ein wunderschönes Wetter draußen und zum Nachdenken für Stimmungen war mir dieser Platz am besten geeignet. Ich war ehrlich fasziniert darüber, dass, wenn man die Augen zu macht und das Erlebte noch einmal im Kopf durchlaufen lässt, dass da wirklich auf einmal Bilder entstehen. So bin ich eines nach dem anderen nochmals durchgegangen und habe nebenbei alles brav aufgeschrieben. Die Geräusche, die in einem Museum herrschen, für die Aufnahmen mit dem Herrn Oberst, die spezielle alte Rittermusik, Geklirre von Schwertern und auch ganz einfach nur Geräusche von Leuten, die sich einfach nur bei Speis und Trank lustig unterhalten. Mit meiner fertigen Liste im Anschlag habe ich mir dann den Stefan im Haus gesucht. Der Portier hat mich dazu hinunter in den Keller geschickt.

Zwischen Regalen, die bis unter die Decke gingen und vollgeräumt mit solchen schwarzen Scheiben waren, wie ich sie damals beim Barden Edi aus schon mal gesehen hatte, hab ich dann den Stefan gefunden. Nach einer recht freundlichen Begrüßung habe ich ihm die Liste mit dem von mir benötigten Material in die Hand gedrückt. Da er zu dem Zeitpunkt wohlweislich von Robert schon ausgiebig instruiert war, hatte er auch schon ein wenig etwas vorbereitet gehabt. Er hat mir einen Stapel schwarze Scheiben gegeben und gemeint, dass ich mir die mal durchhören solle, ob die zu unserem Thema passen würden. Er ist dann aber recht schnell draufgekommen, dass er mir das eventuell auch noch zeigen müsste, wie das jetzt vonstattengehen soll, denn mein überaus fragender Blick wahr wohl diesbezüglich nicht zu übersehen. So hat er mir das alte Abspielgerät für solche Scheiben erst mal genau erklärt. Auf den Scheiben ist eine sehr lange Rille drauf, die von außen nach innen führt. In diesen Rillen befindet sich die aufgenommene Musik. Mit einem Arm, unter dem eine Nadel befestigt ist, kann man diese da mechanisch rausholen und die wird dann wiederum von so elektronischen Bauteilen in ihren ursprünglichen Zustand umgewandelt. Das kann man dann in solchen Kopfhörern hören. Ich hab da gar nicht mehr weiter nachgefragt, wie das genau funktioniert, sondern habe einfach nur mehr den Klang der Musik genossen. Das war echt faszinierend und Stefan hat da wirklich schon einiges Passendes für uns gefunden. Wenn man sich jetzt nochmals die Interviews durch den Kopf hat gehen lassen, hat das in Verbindung mit der Musik wirklich teilweise eine ganz tolle und neue Stimmung ergeben.

Ich hab dann noch einige Zeit, natürlich mit Erlaubnis vom Stefan, einfach nur damit verbracht, mir diese und jene Musik aus den Regalen herauszusuchen und anzuhören. Als es dann aber Zeit war, zu meinem ursprünglichen Auftrag zurückzukommen, hat zu meinem Erstaunen der Stefan die ganzen bereits ausgesuchten schwarzen Scheiben wieder in das Regal zurückgestellt und wir sind hinauf zu seinem Arbeitsplatz gegangen. Auf meine Frage, was ich morgen dem Robert geben soll, wenn er alles wieder ins Regal zurückordnet, hat er nur gemeint, dass das alles eh bereits auch in digitaler Form vorhanden ist und wir das jetzt oben für den Robert zusammenstellen werden. Gut, ich bin einfach nur mitgegangen und habe ihm dabei zugeschaut, wie er das jetzt machen würde. An seinem Arbeitsplatz haben wir dann in so einem Kastl, wie wir es auch für die Redaktionsarbeit verwendet haben, alles nochmals neu herausgesucht. Zusätzlich haben wir dort dann auch noch alle notwendigen weiteren Geräusche für unsere Beiträge gefunden.

Die unweigerliche Frage, die sich in diesem Moment gestellt hat, warum wir das nicht gleich so gemacht haben, hat mir Stefan so beantwortet, dass er mir eigentlich diesen musikalischen Schatz im Archiv einmal zeigen wollte. Denn früher hat man das wirklich so aufwendig machen müssen, wenn man etwas gesucht hat und dann haben die in den einzelnen Sendestudios auch das direkt von den Scheiben abgespielt. Heutzutage allerdings ist das alles schon in den Kastln drinnen, da man es auch mittlerweile in einer anderen Form verwendet. Aber das werde ich dann eh sehen, wenn ich mit dem Robert die einzelnen Beiträge zusammenstellen werde. Und dann habe ich von ihm, als Draufgabe, noch einige grundlegende Informationen zu diesem Thema bekommen.

In der modernen Medienproduktion, ob im Radio, Fernsehen, Film, Podcast oder in der Werbung, spielen Musik und Geräusche eine sehr zentrale Rolle. Sie unterstützen nicht nur die Atmosphäre und die Emotionen eines Beitrags, sondern tragen auch wesentlich zur Verständlichkeit und Wirkung der Aussage bei. Um diese Elemente einsetzen zu können, greifen die Redaktionen eben auf solche Musik- und Geräuscharchive zurück. Diese Archive sind systematisch aufgebaute Sammlungen von Tonmaterial, in denen von klassischer Musik über elektronische Sounds bis hin zu Umgebungsgeräuschen und Soundeffekten alles zu finden ist. Man muss halt nur beachten, dass ein und derselbe Beitrag durch unterschiedliche musikalische Untermalung auch völlig unterschiedlich wirken kann. So kann man mit diesem Archivmaterial gezielt Stimmungen erzeugen, Orte simulieren oder auch Situationen übertreiben. So ist das eben ein ganz wichtiges Stilmittel besonders im Radio und Hörspiel, wo es keine Bilder dazu gibt.

Na, ich bin ja schon mal gespannt, was da morgen bei der Bastelstunde alles für besondere Stimmungen herauskommen werden.


Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema


Informationen zu der Grafik

Standort des neuen Fotos (2025)Plattenarchiv Stefan Wagner
Titel eingearbeitetes altes BildEin Teil des insgesamt 140 000 Schallplatten umfassenden Archivs
Datierung1940
Archiv | Urheber altes BildÖsterreichische Nationalbibliothek

Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.

www.echtleinwand.at

Wir bedanken und für die musikalische Untermalung der fünften Reise bei

STAFAN WAGNER

Band : STAFAN WAGNER GROUP

Titel: “New Atlantis”

http://stefanwagnergroup.at/


Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at


Wenn euch die Grafiken unserer Reise gefallen haben, würden wir uns auch über eine kleine Spende freuen.

Besten Dank, das Team von Photographics






Werbung
error: Content is protected !!